Eine Predigt von Prädikant Thorsten Kohlen.
Online-Predigt zum dritten Sonntag nach Epiphanias – 24. Januar 2021
Lieder zum Anhören, Genießen und Mitsingen:
Evangelisches Gesangbuch 393: Lobt Gott den Herrn, ihr Heiden all
Evangelisches Gesangbuch 573: In Christus gilt nicht Ost noch West
Predigt in Schriftform zum Nachlesen:
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus
1 Zu der Zeit, als die Richter richteten, entstand eine Hungersnot im Lande. Und ein Mann von Bethlehem in Juda zog aus ins Land der Moabiter, um dort als Fremdling zu wohnen, mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen.
2 Der hieß Elimelech und seine Frau Noomi und seine beiden Söhne Machlon und Kiljon; die waren Efratiter aus Bethlehem in Juda. Und als sie ins Land der Moabiter gekommen waren, blieben sie dort.
3 Und Elimelech, Noomis Mann, starb, und sie blieb übrig mit ihren beiden Söhnen.
4 Die nahmen sich moabitische Frauen; die eine hieß Orpa, die andere Rut. Und als sie ungefähr zehn Jahre dort gewohnt hatten,
5 starben auch die beiden, Machlon und Kiljon. Und die Frau blieb zurück ohne ihre beiden Söhne und ohne ihren Mann.
6 Da machte sie sich auf mit ihren beiden Schwiegertöchtern und zog aus dem Land der Moabiter wieder zurück; denn sie hatte erfahren im Moabiterland, dass der HERR sich seines Volkes angenommen und ihnen Brot gegeben hatte.
7 Und sie ging aus von dem Ort, wo sie gewesen war, und ihre beiden Schwiegertöchter mit ihr. Und als sie unterwegs waren, um ins Land Juda zurückzukehren,
8 sprach sie zu ihren beiden Schwiegertöchtern: Geht hin und kehrt um, eine jede ins Haus ihrer Mutter! Der HERR tue an euch Barmherzigkeit, wie ihr an den Toten und an mir getan habt.
9 Der HERR gebe euch, dass ihr Ruhe findet, eine jede in ihres Mannes Hause! Und sie küsste sie. Da erhoben sie ihre Stimme und weinten
10 und sprachen zu ihr: Wir wollen mit dir zu deinem Volk gehen.
11 Aber Noomi sprach: Kehrt um, meine Töchter! Warum wollt ihr mit mir gehen? Wie kann ich noch einmal Kinder in meinem Schoße haben, die eure Männer werden könnten?
12 Kehrt um, meine Töchter, und geht hin; denn ich bin nun zu alt, um wieder einem Mann zu gehören. Und wenn ich dächte: Ich habe noch Hoffnung!, und diese Nacht einem Mann gehörte und Söhne gebären würde,
13 wolltet ihr warten, bis sie groß würden? Wolltet ihr euch einschließen und keinem Mann gehören? Nicht doch, meine Töchter! Mein Los ist zu bitter für euch, denn des HERRN Hand hat mich getroffen.
14 Da erhoben sie ihre Stimme und weinten noch mehr. Und Orpa küsste ihre Schwiegermutter, Rut aber ließ nicht von ihr.
15 Sie aber sprach: Siehe, deine Schwägerin ist umgekehrt zu ihrem Volk und zu ihrem Gott; kehre auch du um, deiner Schwägerin nach.
16 Rut antwortete: Bedränge mich nicht, dass ich dich verlassen und von dir umkehren sollte. Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.
17 Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der HERR tue mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden.
18 Als sie nun sah, dass sie festen Sinnes war, mit ihr zu gehen, ließ sie ab, ihr zuzureden.
19 So gingen die beiden miteinander, bis sie nach Bethlehem kamen.
Liebe Gemeinde,
manchmal haben wir das Gefühl, nicht mehr ein noch aus zu wissen. Leidvolle Erfahrungen häufen sich. Schlag auf Schlag: ein lieber Freund wird krank, ein anderer stirbt plötzlich. Man fragt sich, wo der Sinn liegt, oder ob nicht alles einfach nur sinnlos ist.
Manchmal suchen wir Hilfe im Gebet: Herr, erhöre mich, denn ich bin elend und arm … In der Not rufe ich dich an; du wollest mich erhören.
Manchmal sehen wir gar keinen Ausweg. Aber manchmal zeigt sich dann doch ein Weg, wie es weitergehen kann.
Davon, wie es weitergehen kann, erzählt die Geschichte der jungen Ruth. Kurz und knapp werden wir mit der Situation und den Personen bekannt gemacht, von denen die Geschichte ausgeht. Wegen einer Hungersnot verlässt eine Familie ihren Heimatort Bethlehem. Vater, Mutter und zwei Söhne brechen auf, um in der Fremde ihr Auskommen zu finden. Die Fluchtursachen sind wohl immer ähnlich, damals wie heute. Hunger ist neben Krieg eine wesentliche Ursache, warum Menschen in die Fremde gehen, oft unter großen Risiken und auf gefährlichen Wegen.
Die Vier leben nun als Fremde im Land Moab, auf der anderen Seite des Toten Meeres. Wahrscheinlich hatten sie ein wenig Vermögen, jedenfalls scheinen sie in der Fremde gut Fuß gefasst zu haben. Als der Vater stirbt, sind die Söhne bereits im heiratsfähigen Alter, sie nehmen sich Frauen aus der Umgebung. Bis dahin ist die Geschichte eine ziemlich normale Familiengeschichte, freilich mit der Erfahrung des Heimatverlustes im Hintergrund.
Dann jedoch geschehen Dinge, wo wir uns auch heute fragen: Wie kann Gott das zulassen? Warum so viel Leid in einer einzigen Familie? Beide Söhne sterben, noch ehe ein Enkelkind in Aussicht ist. Die Mutter Noomi bleibt mit ihren zwei Schwiegertöchtern allein zurück. Man kann nur erahnen, welchen Kummer diese Frauen empfunden haben. Die Bibel erzählt hier sehr nüchtern.
Das Leben muss weitergehen, so sagen manchmal Leute, wenn jemand gestorben ist. Ja, das Leben geht weiter, es fragt sich nur, wie! Auch die Geschichte von Noomi und ihren beiden Schwiegertöchtern geht weiter. Den drei Frauen bleibt nicht viel Zeit zum Trauern, müssen sie doch sehen, wo sie als Witwen ihr täglich Brot herbekommen.
Eine damals gängige Möglichkeit war die Bruderehe. Wenn eine Frau in jungen Jahren Witwe wurde, wurde sie gegebenenfalls vom Bruder des verstorbenen Mannes geheiratet. Da ist aber niemand, der die beiden jungen Witwen heiraten könnte! Und die sowieso schon von vornherein verrückte Idee, dass Noomi noch einmal neue Söhne zur Welt bringen könnte, die später mal ihre verwitweten Schwiegertöchter heiraten könnten, schließt Noomi ausdrücklich aus: Ich bin zu alt, um wieder einem Mann zu gehören und selbst wenn ich noch einmal Söhne gebären würde, wolltet ihr warten, bis sie groß würden? (V.12 f.)
Die andere Möglichkeit für verwitwete Frauen war, in die Herkunftsfamilie zurückzukehren. Das scheint doch die realistische Lösung zu sein. Für Noomi bedeutete das, nach Bethlehem zurückzugehen. Immerhin hatte sich dort die wirtschaftliche Lage gebessert. Für ihre beiden Schwiegertöchter bedeutete es eine Rückkehr ins jeweils elterliche Haus im Land der Moabiter. Die ohnehin schon untröstlichen Frauen müssen sich nun auch voneinander trennen.
Entgegen dem, was der Volksmund so sagt, scheint das Verhältnis zwischen Schwiegermutter und Schwiegertöchtern in diesem Fall ein sehr gutes gewesen zu sein. Sie weinen und bekunden, sie wollen an der Seite ihrer Schwiegermutter bleiben. Erst auf nochmaliges Drängen hin kehrt die eine um, die andere hingegen, Ruth, bekräftigt temperamentvoll ihren Entschluss: Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der Herr tue mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden. (V.16f.)
Eine Familiengeschichte ist in der Bibel immer auch eine Geschichte des Glaubens. Viele Familienkonflikte werden uns beschrieben, bei denen falsche Götter und Götzenbilder eine Gefahr darstellen für den Glauben an den einen Gott Jahwe. So war auch das Land der Moabiter, aus dem Ruth stammt, ein Land, mit dem man eigentlich nichts zu tun haben wollte. Die … Moabiter sollen nicht in die Gemeinde des Herrn kommen, heißt es ausdrücklich im fünften Buch Mose. Dem Gesetz nach war das so.
Die Geschichte von Ruth erzählt aber etwas anderes. Ruth wird sich nicht von Noomi trennen. Die Moabiterin entscheidet sich gegen die Rückkehr in ihr Elternhaus und für den Aufbruch in das für sie fremde Land. Sie wird dort ein neues Zuhause finden, sie wird eine Familie gründen. Ihr Vertrauen in Gott wird sie mutig und entschlossen machen.
Schließlich findet sie sogar Aufnahme im Stammbaum von Jesus. (Mt. 1,5) Sie, die Frau aus Moab, gehört zur Gemeinde des Herrn. Und das alles, weil sie schlicht und einfach ihrem Herzen gefolgt ist. Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.
Das klingt wie ein Eheversprechen. Brautpaare suchen sich dieses Bibelwort gerne als Trauspruch und folgen damit auch ihrem Herzen. Abgesehen davon, dass es dem biblischen Text nach eben nicht Mann und Frau sind, die sich mit jenen Worten an einander binden, sind es durchaus passende Worte für einen gemeinsamen Lebensweg. Zwei versprechen sich, beieinander zu bleiben, einen gemeinsamen Weg zu gehen, alles miteinander zu teilen: Glück und Leid, Schönes und Schweres, auch ihre Hoffnungen und ihre Zweifel.
Wir leben in einer Zeit, wo es üblich ist, dass sich Menschen aus Ost und West, Nord und Süd zusammenfinden. Nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern weit über unsere Landesgrenzen hinaus. Wir können uns nicht mehr voneinander abgrenzen, weil wir weltweit miteinander verbunden sind. Menschen unterschiedlichster Herkunft leben und arbeiten miteinander. Verschiedene Traditionen und Vorstellungen von Gott prallen aufeinander. Unsere heutige plurale Welt erwartet von uns eine Toleranz anderen gegenüber, auch anderen Glaubensrichtungen. Wir sollten Verständnis aufbringen für Menschen, die sich in eine völlig neue Situation hineinbegeben.
Unsere Welt ist die eine Welt Gottes. Verantwortung beginnt dort, wo ich zu jemandem sage: Ich stehe zu dir, ganz gleich was geschieht.
Sicher müssen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, die zusammenleben, oft lange Lernwege gehen, um einander besser zu verstehen. Ruts Geschichte macht Mut, weil sie davon erzählt, wie gerade da neue Lebensmöglichkeiten entstehen, wo ein Mensch sich vertrauend auf das Unbekannte einlässt.
Das ist doch auch das, was ich von Gott her glaube. Gott sagt zu mir: Ich stehe zu dir, ganz gleich was geschieht. Gewiss zeigt sich dann auch in einer schwierigen Situation ein Weg, wie es weitergehen kann.
Hier kommt noch eine Botschaft dieses Predigttextes hinzu, die wir nur hören können, wenn wir die weitere Geschichte kennen: Gott hat mit uns etwas vor. Er hat uns eine Aufgabe zugedacht.
Rut hilft Noomi einerseits zu überleben, weil sie für ihre Nahrung sorgt. Andererseits wird Rut eine der Stammmütter Jesu, indem sie auf den Rat Noomis hin Boas, einen Verwandten von Elimelech, heiratet. Als Rut ihre Entscheidung trifft, mit Noomi zu gehen, kann sie das nicht wissen und doch spürt sie, dass sie sich so entscheiden muss. Wenn ich auf meine innere Stimme höre, wenn ich meine inneren Ohren in der Stille des Gebets öffne, dann weiß ich, welchen Weg Gott mich führt. Dann mögen alle äußeren Dinge dagegensprechen, doch ich weiß, dass das mein Platz, mein Weg ist. Manchmal ist das gar nicht so einfach, denn damit sind Durststrecken verbunden. Das war auch bei Rut so. Doch sie hat Noomi und deren Gott vertraut und das führte schließlich zu einem guten Ende. So zeigt uns unser heutiger Predigttext, dass es gut ist auch gegen allen Augenschein auf Gott und seine Stimme in mir zu hören, mich ihm anzuvertrauen und auf ihn zu vertrauen, denn er wird’s wohl machen.
Amen
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Comments